In diesem Abschnitt wollen wir das Kühlsystem des PC-6070 Plus II genauer unter die Lupe nehmen. Das grundsätzliche Problem aktueller Hochleistungssysteme besteht in der starken Wärmeentwicklung der einzelnen Komponenten. Bei immer weiter steigender Leistung wird auch die abzuführende Abwärme ein immer gewichtigerer Faktor. Multi-GPU-Systeme und leistungsstarke Prozessoren erzeugen Temperaturen, die man noch vor wenigen Jahren nur in Ausnahmefällen erreicht hat. Man denke an die im Vergleich zu heute winzigen Kühlkonstruktionen etwa des Pentium II oder älterer Grafikkarten, die vollständig passiv gekühlt auskamen.
Die Reaktion der Computerindustrie lag in der Entwicklung des BTX-Standards, der durch eine andere Anordnung der Komponenten eine stärkere Trennung der thermischen Bereiche innerhalb des Gehäuses erreichen möchte. V.a. Intel hat diese Entwicklung vorangetrieben. Da sich dieser Standard aber noch lange nicht durchgesetzt hat und die meisten Mainboardhersteller nach wie vor auf den ATX-Faktor setzen, müssen die Gehäusehersteller ihre Konzepte entsprechend anpassen. Entweder entstehen dabei Gehäuse, die gewisse Features des BTX-Standards nutzen, ohne ATX dabei aufzugeben oder ein Gehäuse wird einfach nur mit Lüftern voll gepfropft, was wiederum in einem entsprechenden Geräuschpegel resultiert.
Das PC-6070 setzte in seiner alten Bauweise ursprünglich auf ein Konzept, das zwei frontseitige 80 mm-Lüfter zur Kaltluftzuführung und einen rückseitigen 80 mm-Lüfter zur Warmluftabführung vorsah. Zusätzlich sollte das Netzteil als weitere Lüftung nach hinten fungieren. 2003 war das der übliche Standard bei ATX-Gehäusen. Die aktuellen Erfordernisse machten allerdings eine gründliche Überarbeitung des Kühlkonzeptes nötig, da man das PC-6070 seitens Lian Li nicht grundsätzlich aufgeben wollte.
Somit geht Lian Li mit dem PC-6070 Plus II einen dritten Weg: Man versucht, die Möglichkeiten zur Kühlung, die der ATX-Standard bietet, maximal zu nutzen. Üblicherweise sieht das ATX-Konzept vor, dass kalte Luft vorne am Gehäuse eingesaugt wird und die Komponenten kühlt, um anschließend nach hinten und oben abgeführt zu werden, weil warme Luft bekanntlich aufsteigt. Hier setzt Lian Li an, indem man die Verhältnisse gewissermaßen umkehrt. So wird zwar nach wie vor ein Teil der kalten Luft vorne angesaugt, aber diese wird nur zur Kühlung der Festplatten und der Grafikkarten verwendet. Die so erwärmte Luft wird über einen 120 mm-Lüfter in Höhe der Grafikkarten abgesaugt und nach außen geführt.
Die CPU verfügt über eine eigene Frischluftversorgung, indem ein 80 mm-Lüfter auf der Rückseite des Gehäuses ebenfalls kalte Luft ansaugt und diese über einen Duct zur CPU weiterleitet. Die Kaltluft kann so also direkt zur Kühlung der CPU eingesetzt werden, um dann anschließend über das Netzteil nach außen geführt zu werden. Damit sich die kühle Luft für die CPU und die warme Abluft aus dem Netzteil nicht vermischen, verfügt der Auslass des Netzteils über einen eigenen Duct auf der Rückseite des Gehäuses, der die erwärmte Luft zur Seite hin abführt. Auf diese Art entstehen gewissermaßen zwei getrennte thermische Zonen, die die jeweiligen Komponenten unabhängig voneinander kühlen sollen. Die obenstehende Abbildung verdeutlicht den vorgesehenen Luftstrom im Gehäuse.
Soweit die Theorie. Da Gehäuse bzw. deren Konzepte allerdings nicht nur in der Theorie funktionieren sollen, sondern sich im praktischen Alltag bewähren müssen, haben wir uns mit dem Kühlsystem des PC-6070 Plus II eingehend befasst. Grundsätzlich geht inzwischen bei Gehäusen der Trend von 80 mm-Lüftern weg und hin zu 120 mm-Lüftern. Dies liegt darin begründet, dass mit steigender Wärmeentwicklung von den Lüftern höhere Drehzahlen gefordert werden, damit die Kühlleistung ausreicht. Gleichzeitig steigt damit der Geräuschpegel gewaltig. Diese unangenehme Erfahrung kann man meist als Besitzer einer aktuellen Grafikkarte machen. Da Lian Li das Konzept des PC-6070 Plus II aber nicht vollständig aufgibt, kommen nach wie vor überwiegend 80 mm-Lüfter zum Einsatz. Das muss nicht notwendigerweise ein Argument gegen das Gehäuse sein, sofern sich die Lüfter vernünftig regeln lassen und dabei noch genügend Leistung liefern.
Genau bei dieser Überlegung setzt unser Testaufbau an: Wir haben sämtliche Gehäuselüfter sowie Chipsatz- und CPU-Lüfter an eine Innovatek Fan-o-Matic Pro-Lüftersteuerung gehängt, um die Drehzahlen und damit den Geräuschpegel kontrollieren zu können. Zusätzlich bietet die Fan-o-Matic die Möglichkeit, einen oder alle Lüfter gezielt abzuschalten, wodurch sich Geräuschquellen sehr gut lokalisieren lassen. Das Ziel der Bemühungen war, sämtliche Lüfter auf möglichst niedrigen Drehzahlen laufen zu lassen, denn unser Testsystem ist kein reiner Spielerechner und somit ist auch die Lautstärke relevant. Ohnehin geht der Anspruch vieler Nutzer in genau diese Richtung. Wir haben die Lüfter soweit wie möglich gedrosselt und anschließend die Temperaturen nach einer gewissen Aufwärmzeit des Systems gemessen. Die Ergebnisse der Messungen finden Sie auf der folgenden Seite.
Zugegebenermaßen sind das hohe Anforderungen an ein Gehäuse, aber da das Lian Li als Silent-Gehäuse beworben wird und auch der entsprechende Preis dafür verlangt wird, muss man diesen Maßstab anlegen. Andernfalls würden auch die Dämmmatten keinen Sinn machen. Umso erfreulicher, dass das PC-6070 Plus II diesen Ansprüchen voll gerecht geworden ist. Trotz "bürotauglicher" Lautstärke des Systems waren wir mit dem Kühlkonzept durchweg zufrieden. Die 80 mm-Lüfter versehen auf 6 Volt gedrosselt kaum wahrnehmbar ihren Dienst. Einzig der 120 mm-Lüfter, den Lian Li verbaut hat, ließ sich nicht dazu bewegen, unterhalb von 9 Volt zu arbeiten, was sich in einem erhöhten Geräuschpegel bemerkbar machte, der den Rest des Systems deutlich übertönte. Somit haben wir uns hier entschieden, den Werkslüfter gegen ein Modell von Papst, den 4412-N2GLL, auszutauschen. Nach dieser Maßnahme ist das System unserer Auffassung nach uneingeschränkt silent-tauglich. Die Temperaturen bleiben dabei stets im grünen Bereich. Die Voraussetzung ist natürlich, dass die Grafikkarten im Idle entsprechend gedrosselt werden und ein leises Netzteil verbaut ist. Genaue Angaben zur Lautstärke des Systems müssen wir mangels entsprechend genauer Messgeräte allerdings schuldig bleiben.
Unser Fazit lautet daher: Lian Li hat seine Hausaufgaben gemacht und aus dem ATX-Konzept das Maximum herausgeholt. Die Flussrichtung der Lüfter ist zwar ungewöhnlich, erfüllt ihren Zweck aber voll und ganz. Das PC-6070 Plus II zeigt, dass man durchaus auch mit 80 mm-Lüftern eine ausreichende Kühlleistung erhält, sofern sie sinnvoll angeordnet und von guter Qualität sind. Da die Luftkühlung von leistungsstarken PC-Komponenten allmählich an ihre Grenzen stößt, ist das keine kleine Leistung.
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